Zwischen den Tagen

Es sind die Stunden mitten in der Nacht, wenn der Verkehr auf den Straßen fast erloschen ist. Ampeln wechseln ihr Licht, ohne dass es jemand bemerkt. Die Doormen der teuren Hotels stehen gelangweilt herum, in den Taxis gähnen die Kollegen. Es ist die Zeit der Ruhe. Selbst die Feuerwehr fährt jetzt ohne Sirene zum Einsatz.
In diesen Stunden denke ich nach. Über mich selber und das Leben, das ich führe. Meine Gedanken wandern durch die Wohnungen von Freunden, meiner Mam, nach Schweden, wo mein Bruder in einem alten Bauernhof wohnt. Aber ich bin leise, sie schlafen ja gerade alle. Wie so oft drängen sich Pläne auf, etwas ändern, etwas Neues machen. Einen anderen Job, oder auch gar keinen. Weggehen aus Berlin, aber das verwerfe ich gleich wieder, das Heimweh wird stärker sein. Es hat mich in der Vergangenheit schon aus Indien, Italien und Dänemark zurückgeholt.
Ich denke über Freundschaften nach oder das, was ich dafür halte. Es sind viel zu wenige, das tut etwas weh. Ich kannte das schon anders. Melancholie bestimmt diese Stunden, wenn alles Ablenkende eingeschlafen ist.
In der Rettungsstelle der Charité brennt helles Licht, hier ziehe ich mir eine heiße Automatensuppe. Traurige Gesichter warten auf den Angehörigen, der in der Notaufnahme liegt.
Der erste Zeitungsausträger rumpelt mit seinem Wagen an mir vorbei und sieht geschäftig aus. Er ist der Vorbote des neuen Tags, so wie auch die Vögel, die langsam erwachen und zu Singen beginnen. Tagsüber hört man sie nicht, hier mitten in der Stadt. Jetzt aber stört kein Autolärm. Verschiedene Melodien, ich bedaure, dass ich sie nicht auseinanderhalten kann.
Ich würde jetzt gern mit jemandem sprechen, der mir vertraut ist. Oder einfach nur mit ihm zusammen sein. Die Einsamkeit der Nacht bricht hervor, laut und unerträglich. An den Rändern wird der Himmel heller, aber das tröstet nicht. Ich starte den Motor, fahre nach Hause. Aber dort bin ich auch allein.