Als Taxifahrer bekommt man die Stimmungen der Fahrgäste oft direkter mit, als es einem lieb ist. Ausgelassen kreischende russische Mädel, schimpfende Alkoholiker, traurige Damen, die wieder allein vom Café Keese nach Hause fahren müssen, aggressive Jugendliche mit Hang zu verbalen Hinrichtungen, alles kommt vor. Vor kurzem hatte ich einen Geschäftsmann im Auto, der mir plötzlich erzählte, dass er sich umbringen wolle. Er sehe keine Perspektive mehr, beruflich hätte er nur Stress und privat sei alles kaputt. Was sollte ich tun? Ich konnte ihm nur raten, vor diesem Schritt erstmal mit einem Psychologen zu reden. Und ich habe ihm gesagt, dass Leben auch anders aussehen könne, als nur möglichst viel Kohle zu verdienen, dabei aber vor die Hunde zu gehen. Vielleicht ist davon etwas bei ihm angekommen, ich weiß es nicht.
Heute aber habe ich einen besonders krassen Fall von Gefühlsausbruch erlebt. Diesmal war es ein Politiker, ziemlich rund, der aus einem teuren Hotel kam. Mit ihm waren mehrere Personen, unter anderem ein Fernsehjournalist sowie ein Reporter der Bild-Zeitung, den sehe ich hier öfter. Der Politiker kam aus dem Hotel gestampft, sein Hiwi hielt die Autotür auf, aber er stieg nicht ein. Stattdessen brüllte er herum, die Umstehenden senkten betroffen den Blick. Als gerade zwei Gäste aus dem Hotel kamen, stürmte er wieder hinein und rempelte einen der beiden an, anscheinend absichtlich, stieß ihn zur Seite und verschwand im Gebäude. Alle vor dem Hotel schauten entgeistert hinterher. Keine Minute später kam er wieder heraus, zog das Jackett aus und gab es einem seiner Aufpasser, dann verschwand er im schwarzen Wagen. Doch kaum war der Personenschutz mit im Auto, kam der Kunde wieder raus, brüllt irgendwas und knallte die Tür zu. Er winkte sich ein Taxi von der Halte, obwohl er keine zehn Meter entfernt stand. Als er bereits im Wagen saß, kam einer seiner Leute herbei und reichte ihm die Jacke hinein. Dann fuhr der arme Kollege mit der sauren Fracht los.
Was lernen wir daraus?
Erstens: Auch Politiker sind nur Menschen, die sich gerne mal absolut daneben benehmen.
Zweitens: Manchmal ist es besser, nicht als Erster an der Halte zu stehen.